Romans 9

1Ich rede die Wahrheit als einer, der mit Christus in Gemeinschaft steht; ich lüge nicht. Mein durch den Heiligen Geist erleuchtetes Gewissen zeugt für mich, wenn ich hier beteuere: 2Ich habe tiefe Traurigkeit, und ein steter Gram nagt an meinem Herzen.
Auf das freudige Siegeslied 8,31-39 folgt ganz ohne Übergang und darum desto erschütternder in 9,1ff. der Ausdruck tiefster Betrübnis.
3Ja ich habe oft zu Gott gefleht, er möge mich aus der Gemeinschaft Christi stoßen und dem Verderben überliefern, wenn das zur Rettung meiner Brüder, meiner irdischen Stammverwandten, dienen könne.
Während der Apostel von seinen judenchristlichen Gegnern beschuldigt wurde, er habe kein Herz für Israel, ja er wünsche dem ungläubigen jüdischen Volk Gottes Strafgericht, Rö 3:8, 1Th 2:15-16 erklärt er diesen Lästerungen gegenüber, er habe sogar den (freilich unerfüllbaren) Wunsch gehabt, vgl. Ps 49:8-9 aus Christi Gemeinschaft verstoßen zu werden, wenn sein unglückliches Volk dadurch in Christi Gemeinschaft eingehen könne. vgl. 2Mo 32:31-33
4Sie tragen den Ehrennamen Israeliten. Sie haben die Sohneswürde.
Das ganze Israel heißt Gottes erstgeborener Sohn. 2Mo 32:19, Jes 1:2, 63:16
In ihrer Mitte ist des Herrn Herrlichkeit erschienen. Ihnen sind die (göttlichen) Verordnungen zuteil geworden.
Außer den Verordnungen am Sinai ist hier auch an die Verheißungen für die Erzväter 1Mo 17:2,19, 26:1-5, 28:10-12 sowie für David und sein Haus zu denken; 2Sa 7:8-29, Jes 55:3 vgl. Eph 2:12.
Sie haben das Gesetz, den Gottesdienst und die Verheißungen empfangen.
5Ihnen gehören die Erzväter an.
Abraham, Isaak und Jakob; auch David wird Erzvater genannt. Apg 2:29
Aus ihnen ist der Messias seiner Menschheit nach hervorgegangen —, der da ist Herr über alles und als Gott zu preisen in Ewigkeit. Amen.
6Damit
Daß ich auf Israels Verstockung gegen die Heilsbotschaft hinweise.
will ich aber nicht sagen, daß Gottes Zusage
Die Israel zuteil geworden ist.
hinfällig geworden wäre.
Weil nämlich ein Teil des Volkes das messianische Heil nicht erlangt hat.
Denn nicht alle, die von Israel
D.h. wahrscheinlich: von Jakob. vgl. 1Mo 32:29
stammen, gehören zu dem (wahren) Israel.
7Heißen doch auch nicht alle Nachkommen Abrahams ausnahmslos seine Kinder, sondern: "Nur Isaaks Kinder sollen deine Nachkommen
Und damit Erben der Verheißung.
heißen."
8Also: nicht die leiblichen Nachkommen Abrahams
D.h. die Nachkommen Hagars.
sind damit auch schon Kinder Gottes, sondern nur die Kinder der Verheißung
D.h. die Nachkommen Saras.
werden als Abrahams echte Nachkommen betrachtet.
9Denn es ist ein Verheißungswort: Um diese Zeit will ich wiederkommen, dann soll Sara einen Sohn haben. 10Und ganz dasselbe gilt auch bei Rebekka.
Auch hier zeigte es sich, daß die leiblichen Nachkommen des Trägers der Verheißung (in diesem Fall: die Nachkommen Isaaks) noch nicht Erben des göttlichen Segens waren.
Sie war guter Hoffnung von einem Mann, unserem Vater Isaak.
11Als aber die Kinder noch nicht geboren waren und folglich auch noch nichts Gutes oder Böses getan hatten, schon da traf Gott eine Auswahl. 12Die blieb in voller Kraft und hing nicht ab von dem Verhalten des Menschen, sondern von dem Willen des Berufenden. Darum erging auch an Rebekka des Wort: Der Ältere soll dem Jüngeren dienstbar sein. 13Und anderswo steht geschrieben: Jakob habe ich geliebt, und Esau habe ich gehaßt.
Mal 1:2-3. Hassen heißt hier nicht: verwerfen, sondern es steht nur im Gegensatz zu der bevorzugten Stellung, die Gott Jakob und seinen Nachkommen verliehen hat.
14Was folgt hieraus? Gibt's etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Nimmermehr! 15Zu Mose sagt er ja: Ich werde gnädig sein, wem ich will, und mich erbarmen, wes ich will.
2Mo 33:19. Wenn Gott bestimmte Menschen zu einem besonderen heilsgeschichtlichen Beruf erwählt, so hat diese Erwählung nichts zu tun mit dem Verhalten der Menschen, sondern sie ist einzig begründet in Gottes gnädigem Willen. Dagegen das Endschicksal der einzelnen Menschen im Weltgericht hängt ausschließlich ab von ihrem Verhalten hier in dieser Zeit. 2:6, 2Kor 5:10 Es ist also ein gefährliches Mißverständnis, wenn man meint, der Apostel wolle hier (V11ff.) die Frage erörtern, welche Menschen zur Seligkeit gelangen und welche nicht.
16Demnach kommt es nicht an auf menschliches Wollen oder Laufen,
Bild von der Rennbahn. Ga 2:2, 5:7, 1Kor 9:24, Php 2:16, 2Ti 4:7
sondern auf Gottes Erbarmen.
17Sagt doch die Schrift zu Pharao: Gerade darum habe ich dich zum König bestellt, um an dir meine Macht zu erweisen und meinen Namen auf der ganzen Erde kundzumachen. 18Also: Gott ist gnädig, wem er will, und verstockt, wen er will.
In der Leitung der Geschichte und in der Verwendung der Menschen für seinen großen Reichsplan ist Gottes Wille von dem Wollen und Tun der Menschen ganz unabhängig. Das ist der Sinn dieser Worte. Nicht aber ist hier von einer Gnade Gottes die Rede, wodurch der einzelne Mensch selig wird, oder von einer Verstockung, wodurch er unfähig wird, das ihm angebotene Heil im Glauben zu ergreifen.
19Nun kannst du mir einwenden: "Wie kann Gott dann
Wenn er selbst den Sünder verstockt oder verhärtet.
noch jemand tadeln?
Der Gottes Gnade nicht annimmt.
Kann man denn seinem Willen widerstehen?"
20O Mensch, wer bist du, daß du Gott widersprechen willst? Darf etwa das Bild zu seinem Bildner sagen: Warum hast du mich gerade so gemacht? 21Hat der Töpfer nicht freie Verfügung über seinen Ton? Kann er nicht aus derselben Masse verschiedene Gefäße bilden — das eine zur Zier, das andere zum gewöhnlichen Gebrauch? 22Was willst du nun sagen, wenn Gott, obwohl er einst sein Zorngericht offenbaren und seine Macht erweisen will, zum Verderben reife Zorngefäße dennoch bisher in großer Langmut getragen hat, 23und zwar deshalb, um zu gleicher Zeit den Reichtum seiner Herrlichkeit zu zeigen an Gefäßen des Erbarmens, die er vorbereitet hat für die zukünftige Herrlichkeit?
Die Zorngefäße sind die ungläubigen Juden. Über sie kam das Gericht in der Zerstörung Jerusalems (70 n.Chr.). Dies Gericht (sagt Paulus) hält Gott in Langmut zurück, um während dieser Zeit der Geduld gegen das ungläubige jüdische Volk aus Juden und Heiden eine Gemeinde zu sammeln und sie vorzubereiten für die zukünftige Herrlichkeit.
24Und sind wir nicht solche Gefäße?
Nämlich: Gefäße des Erbarmens.
Gerade dazu
Gefäße des Erbarmens zu sein.
hat er uns berufen
Die Berufung ist der erste Schritt zu der zukünftigen Herrlichkeit (vgl. 8,30).
nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.
25Darum spricht Gott bei Hosea: Was nicht mein Volk ist, das will ich mein Volk nennen, und die nicht Geliebte soll Geliebte heißen. 26Ja, an dem Ort, wo zu ihnen gesagt worden ist: "Ihr seid nicht mein Volk", da sollen sie Söhne des lebendigen Gottes heißen.
Hos 2:23, 2:1. — Hos 2:23 redet nach dem Wortsinn nicht von der Annahme der Heiden zu Gottes Volk, sondern von der Wiederannahme und Begnadigung der götzendienerischen zehn Stämme. Die Ausdrücke: "Nicht mein Volk" und "die nicht Geliebte" beziehen sich auf die sinnbildlichen Namen eines Sohnes und einer Tochter des Propheten Hosea, die das verstoßene Volk der zehn Stämme bezeichnen soll. Hos 1:6-9 "An dem Ort" geht vielleicht auf die Länder der Heiden, wohin Israel für eine Zeitlang weggeführt werden sollte: noch in der Verbannung sollte Israel in die Würde des Gottesvolkes wiedereingesetzt werden.
27Und Jesaja ruft über Israel aus: Wären auch die Kinder Israels so zahlreich wie der Meeressand, so soll doch der Überrest
Ein gläubiger Überrest.
errettet werden.
28Denn der Herr will sein Strafurteil in Kürze vollstrecken auf der Erde.
Nach Jes 10:22-23. Die ungläubigen Juden, die Zorngefäße, die der Herr so lange in Langmut getragen hat, werden endlich von dem gerechten Strafgericht ereilt werden.
29Und — wie Jesaja vorhergesagt hat —: Hätte uns der Herr der Heerscharen nicht ein Saatkorn
"Ein Saatkorn" des wahren Israel.
übriggelassen, so wäre es uns ergangen wie Sodom, und wir hätten Gomorras Schicksal geteilt.
30Was folgt nun hieraus? Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit gestrebt, haben Gerechtigkeit erlangt: nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. 31Israel aber, das durch Erfüllung des Gesetzes Gerechtigkeit erlangen wollte, hat dies von dem Gesetz gesteckte Ziel nicht erreicht. 32Und warum nicht? Weil es dies Ziel nicht erreichen wollte durch Glauben, sondern durch Werke. 33Darum hat es sich auch gestoßen an dem Stein des Anstoßes,
D.h. an dem Messias, dessen Erscheinen in Armut und Niedrigkeit dem fleischlichen Sinn Israels mißfiel.
wie geschrieben steht: Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Strauchelns; wer auf ihn vertraut, der soll nicht zuschanden werden.
Copyright information for GerAlbrecht